Weizen und andere "Missetäter" im 21. Jahrhundert

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  3. Weizen und andere "Missetäter" im 21. Jahrhundert

Darina Pronin, Sabrina Geißlitz und Katharina Scherf

Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München

Lise-Meitner-Straße 34, 85354 Freising

Es mehren sich die Belege für eine zunehmende Prävalenz von Überempfindlichkeiten gegenüber Weizen. Zu diesen Überempfindlichkeiten zählen neben der Zöliakie auch die Nicht-Zöliakie-Gluten-/Weizensensitivität und Weizenallergien. Neben einem besseren Bewusstsein und einer besseren Diagnostik liegen die Gründe für diese Zunahme auf Seiten des menschlichen Immunsystems wahrscheinlich unter anderem in selteneren Infekten aufgrund verbesserter hygienischer Bedingungen, einer veränderten Zusammensetzung der Mikroflora des Darms und geänderten Ernährungsgewohnheiten. Auf Seiten der Getreide führten möglicherweise Änderungen der Proteinzusammensetzung zu höheren Gehalten immunreaktiver Komponenten aufgrund von unterschiedlichen Proteinexpressionsmustern in di-, tetra- und hexaploiden Weizenarten, aber auch aufgrund von Zucht- und Anbaupraktiken sowie in der Verarbeitung des Korns zum Endprodukt. Das interdisziplinäre Projekt WHEATSCAN untersucht den Züchtungseinfluss der vergangenen rund 100 Jahre auf die Genexpression, Proteinzusammensetzung und das Potenzial für die Auslösung von Immunreaktionen im Weizen (Triticum aestivum L.).

Mehr zum Projekt

Für die Jahrzehnte von 1890 bis 2010 wurden die jeweils 5 am weitesten verbreiteten Weizensorten ausgewählt und in Gatersleben drei Erntejahre (2015, 2016 und 2017) lang angebaut, um auch die Umweltvariabilität zu berücksichtigen. Hinsichtlich der agronomischen Eigenschaften nahm die Wuchshöhe der Pflanzen ab den 1950er Jahren ab, wogegen der Flächenertrag und der Ernte-Index zunahmen. Der Proteingehalt hing vom Erntejahr ab: Der Median über alle Sorten lag 2015 bei 9,8 %, 2016 bei 8,0 % und 2017 bei 7,6 %, und eine statistische Auswertung bestätigte, dass das Erntejahr viel mehr zur Variabilität beitrug als die unterschiedlichen Weizensorten der einzelnen Dekaden. 2015 zeigte sich ein Trend hin zu einem geringeren Proteingehalt im Verlauf der Zeit, der jedoch 2016 und 2017 nicht klar erkennbar war. Um herauszufinden, ob sich nicht nur der Proteingehalt, sondern auch die Zusammensetzung der Weizenproteine im Verlauf der Zeit änderte, wurden die Mehle nacheinander mit Salzlösung, 60 % Ethanol und 50 % Propanol in Verbindung mit Wärme und reduzierenden Bedingungen extrahiert, um die Albumine/Globuline, Gliadine und Glutenine daraus zu gewinnen. Alle Fraktionen wurden mit RP-HPLC (Umkehrphasen-Hochleistungsflüssigchromatografie) mit UV-Detektion analysiert.

Während die Gehalte von Albuminen/Globulinen unverändert blieben, nahm der Gliadingehalt ab den 1940er Jahren ab, während im selben Zeitrahmen der Gluteningehalt zu steigen begann. Dadurch kam es zu einem abnehmenden Gliadin:Glutenin-Verhältnis, nicht aber zu offenkundigen Änderungen im Glutengesamtgehalt, da Gluten die Summe aus Gliadinen und Gluteninen bildet und sich die gegenläufigen Trends weitestgehend gegenseitig aufhoben. Weitere Arbeiten werden sich auf die quantitative Bestimmung bestimmter immunreaktiver Proteine und Peptide wie α-Amylase-Tripsin-Inhibitoren (ATI) und dem bei Zöliakie aktiven 33-meren Peptid in alten und modernen Weizensorten konzentrieren. Erste Analysen der ATI 0.19, 0.28, 0.53, CM2, CM3 und CM16 mittels LC-Tandem-Massenspektroskopie und Stabilisotopenverdünnungsanalysen spezifischer Marker-Peptide deuten darauf hin, dass Dinkel (T. aestivum ssp. spelta) und Emmer (T. dicoccum) höhere Mengen von ATI enthalten als der gemeine Weizen, wogegen Einkorn (T. monococcum) nur sehr geringe Gehalte an ATI oder sogar gar keine der bisher bekannten Proteinsequenzen aufweist. Obwohl sich ATI vor allem in der Albumin-/Globulin-Fraktion finden, korrelierten die Albumin-/Globulin-Gehalte nicht mit den ATI-Gehalten. Insgesamt gesehen scheint die Weizenzüchtung zwar zu Änderungen in der Zusammensetzung der Weizenproteine zu führen, aber die Auswirkung dieser Veränderungen auf die Immunreaktivität bedürfen noch der genaueren Untersuchung. 
 

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Weizen im Visier: Macht dieses Grundnahrungsmittel krank? BR Fernsehen