Getreideassoziierte Erkrankungen – Herausforderungen bei Diagnose und Therapie

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  3. Getreideassoziierte Erkrankungen – Herausforderungen bei Diagnose und Therapie

Im April startet die Online-Fortbildungsreihe für Fachkräfte: In vier zertifizierten Webinaren besprechen Referenten Diagnose und therapeutische Optionen getreideassoziierter Darmerkrankungen. Jedes Webinar besteht aus 2-3 Vorträgen und bietet Teilnehmern die Möglichkeit, Fragen per Chat zu stellen.

  • Gluten-/Weizen-Sensitivität und Weizenallergie: Neue Empfehlungen zu Diagnose und therapeutischem Vorgehen
    Referentin: PD. Dr. rer. nat. Walburga Dieterich, Erlangen
  • Gezielte Ernährungsberatung bei Weizen-Unverträglichkeiten
    Referentin: Diätassistentin, Dipl. Medizinpädagogin Birgit Blumenschein, Münster

Zusammenfassung

Gluten-/Weizen-Sensitivität und Weizenallergie: Neue Empfehlungen zu Diagnose und therapeutischem Vorgehen

Es gibt verschiedene Formen der Weizenunverträglichkeit. Liegt eine immunologische Reaktion vor, unterscheidet man zwischen einer IgE-vermittelten (z.B. Weizenallergie) und einer Nicht-IgE vermittelten (z.B. T-Zell vermittelt) Reaktion. Die Gluten-/Weizen-Sensitivität (NWGS/NCGS) verläuft ohne (bisher bekannten) Beteiligung des Immunsystems. Die Prävalenz der Weizenallergie liegt bei 1%, bei der Gluten-/Weizen-Sensitivität ist eine genaue Angabe aufgrund fehlender diagnostischer Marker schwierig. Schätzungen zufolge liegt diese bei etwa 6%.

IgE-vermittelte Weizenallergien treten häufig bereits im Kindesalter auf. Die klassischen, Soforttyp-Reaktionen betreffen die Haut, Atemwege, den Gastrointestinaltrakt und das Herz-Kreislaufsystem. Zu den Spät-Reaktionen gehören Hautverschlechterungen (z.B. atopische Dermatitis).

Im Erwachsenenalter dominiert die weizenabhängige, anstrengungsinduzierte Anaphylaxie (wheat-dependent exercise-induced anaphylaxis, WDEIA). Die Diagnose erfolgt nach Anamnese und Ernährungs- /Symptomtagebuch durch einen Skin-Prick-Test und der Bestimmung von Weizen-spezifischem Serum IgE.

Die Therapie besteht in der Vermeidung der Allergie-auslösenden Nahrungsmittel (Weizen, selten auch Roggen und Gerste). Ein Beratungsgespräch mit Allergologen und Ernährungsfachkraft ist nötig, unter anderem um über mögliche Ko-Faktoren (z.B. Körperliche Anstrengung, Entzündungshemmer, Alkohol, akute Infektionen) aufgeklärt zu werden und eine ausgewogene Ernährung zu ermöglichen. In schweren Fällen kann der Einsatz von Antiallergika (oder auch Notfallmedikamenten) notwendig sein.

Zu den Nicht-IgE-vermittelte Allergien gehört die Nahrungsmittel-induzierte Enterokolitis im Säuglingsalter.

Die Symptome umfassen verringerte Aktivität, Blässe, Diarrhöen, Lethargie und treten meist bereits 1-4 Stunden nach der Nahrungsaufnahme auf. Die chronische Verlaufsform, FPIES (Food protein-induced enterocolitis syndrom), zeigt sich durch chronisches Erbrechen, Reflux, Diarrhöen und Gewichtsverlust. Die Diagnostik erfolgt durch den Nachweis von eosinophilen Zellen (>60/HPF). Die Therapie erfolgt durch eine Eliminationsdiät mit dem Ausschluss der symptomauslösenden Lebensmittel (am häufigsten Milch, Soja, Ei, Weizen).

Die Diagnose der NCWS/NCGS erfolgt nach Ausschluss einer Weizenallergie und Zöliakie bei Betroffenen mit ähnlichen Symptomen. Patienten klagen nach der Aufnahme von Weizen über Blähungen, Bauchschmerzen, Durchfall, Erbrechen, Gelenkschmerzen, Müdigkeit, Foggy mind, Kopfschmerzen und Stimmungsschwankungen.

Im Unterschied zur Zöliakie erfolgt keine Schädigung der Dünndarmmukosa, es kommt lediglich zu einer geringfügigen Erhöhung der intraepithelialen Lymphozyten. Nach dem heutigen Stand der Forschung wird vermutet, dass der NCWS/NCGS ein multifaktorielles Geschehen zugrunde liegt. Es ist noch nicht endgültig erforscht, ob das Gluten oder andere Bestandteile in glutenhaltigem Getreide Auslöser der Beschwerden sind. Hierzu gehören beispielsweise Amylase-Trypsin-Inhibitoren ATIs, die vor allem in Weizen enthalten sind. In Diskussion stehen auch Fruktane, die zu den FODMAPs (fermentierbare Oligo-, Di-, Monosaccharide und Polyole) gehören und bei Betroffenen durch die Fermentation im Dickdarm zu gastrointestinalen Beschwerden führen. Die Therapie-Empfehlung bei NCWS ist der Ausschluss von glutenhaltigem Getreide für 6-8 Wochen. Anschließend soll durch Zufuhr geringer Mengen an glutenhaltigen Produkten der individuelle Schwellenwert des Betroffenen gefunden werden. Dies soll in Begleitung einer qualifizierten Ernährungsfachkraft erfolgen.  Die glutenfreie Diät führt zu einer raschen Besserung der Symptome, muss jedoch nicht so strikt eingehalten werden wie bei einer Zöliakie. Wie viel Gluten problemlos verzehrt werden kann, soll individuell getestet werden.

 

Gezielte Ernährungsberatung bei Weizen-Unverträglichkeiten

Eine qualifizierte Ernährungstherapie und -beratung vermittelt Betroffenen das notwendige Wissen zu Unverträglichkeiten und ist für eine erfolgreiche Ernährungsumstellung unumgänglich. Sie muss im Bezug auf eine „Weizenbeteiligung“ immer individuell und symptomorientiert geplant werden.

Die Therapie der Weizenallergie besteht in der weizenfreien Ernährung. Es muss auf Weizen und weizenähnliche Getreidesorten verzichtet werden (u.a. Dinkel, CousCous, Bulgur, Grünkern, Ebli, Emmer, Triticale, Kamut, Seitan). Meist gut verträglich sind Gerste, Roggen, Hafer und glutenfreie Pseudogetreide, wie z.B. Buchweizen oder Hirse. Die Schulung und Handhabung der Allergen- und Spurenkennzeichnung ist ein wichtiger Bestandteil der Ernährungsberatung. Allergene, die Allergien oder Unverträglichkeiten auslösen, sind in der Zutatenliste aufzuführen und besonders hervorzuheben, z.B. durch die Schriftart, den Schriftstil oder die Hintergrundfarbe. Besondere Vorsicht ist bei glutenfreien Produkten geboten, die die glutenfreie Weizenstärke enthalten können und für Weizenallergiker nicht geeignet sind.

Bei der WDEIA ist die Therapie ähnlich wie bei der Weizenallergie. Die Spurenkennzeichnung ist in der Regel nicht relevant, es soll eine individuelle Ernährungsberatung unter Berücksichtigung der Toleranzschelle des Betroffenen erfolgen. Theoretisch könnte der Verzehr von Weizen bei fehlender körperlicher Anstrengung und Ko-Faktoren von mindestens 4-6 Stunden sicher sein, dies sollte jedoch nicht ohne ärztliche Begleitung getestet werden.

Eosinophile Erkrankungen (u.a. Ösophagitis, Gastritis, Gastroenteritis, Colitis) können verschiedene Abschnitte des Verdauungstrakts betreffen. Die chronisch-entzündlichen Erkrankungen werden neben der Therapie mit Medikamenten durch die Elimination von bekannten Nahrungsmittelallergenen, wozu auch Weizen gehört, behandelt. Erlaubt sind Dinkel, Grünkern, Gerste, Roggen, Hafer und glutenfreies Pseudogetreide. Vermieden werden müssen Weizen und weizenähnliche Lebensmittel, wie Couscous, Weizenbulgur, Ebli, Triticale, Kamut, Emmer und Seitan. Die Spurenkennzeichnung ist nicht relevant da kleine Mengen in der Regel toleriert werden.

Bei der NCWS/NCGS soll durch ein Ernährungs- und Symptomtagebuch herausgefunden werden, welche Weizenbestandteile (Gluten, ATI, andere Weizeninhaltsstoffe z.B. FODMAPs) die Beschwerden verursachen. Anschließend kann die Umstellung auf eine gluten- bzw. weizenfreie Ernährung erfolgen und die individuelle Toleranzschwelle des Betroffenen ausgetestet werden. Eine qualifizierte Ernährungsberatung und Schulung des Betroffenen ermöglicht eine ausgewogene und ballaststoffreiche, glutenfreie Ernährung. Für die Therapie des Reizdarms gibt es laut aktueller Leitlinie keine einheitlichen Ernährungsempfehlungen. Wichtig sind eine individuelle Ernährungsberatung und Therapie, mit zeitlich befristeter Elimination des potenziell auslösenden „Triggers“. Je nach Symptomatik kann der Einsatz von löslichen/unlöslichen Ballaststoffen und Probiotika sowie eine glutenfreie oder FODMAP-arme Ernährung in Betracht gezogen werden. Die Low-FODMAP Ernährung ist eine diagnostische Eliminationsdiät mit dem Ziel, herauszufinden, ob jemand FODMAP-hypersensitiv ist. Nach Ausschluss einer Zöliakie und Weizenallergie kann bei bestehenden Beschwerden eine weizen-/glutenfreie Ernährung erfolgen. Zu beachten gilt, dass nicht alle glutenfreien Lebensmittel gleichzeitig FODMAP-arm (z.B. Amaranth) sind.

 

 

Aufzeichnung & E-Learning

Bei erfolgreich absolviertem Abschlusstest von insgesamt 6 Fragen, werden Ihnen 2 DFP-/CME-Punkte gutgeschrieben.