Die FODMAP Ernährungstherapie ist ein Aktionsort für spezialisierte Ernährungsfachkräfte. Nur mit fundierter Weiterbildung ist eine gute Betreuung von Reizdarmbetroffenen mit dieser Methode umsetzbar.
Spezialisierte Ernährungsfachkräfte sind aber häufig Mangelware, obwohl die Methode seit der neuen S3-Reizdarm-Leitlinie als Ernährungsintervention empfohlen wird.
Wie alt ist das FODMAP-Konzept und seit wann wird es in der Leitlinie empfohlen?
2005 wurde die FODMAP Hypothese in Australien geboren (1). Verbreitet wurde es weltweit im Jahre 2010 von Gibson und Shepherd (Monash Universität Victoria, Australien) als evidenzbasierte Ernährungstherapie bei Reizdarm (2). In der Zwischenzeit ist das FODMAP Konzept 14 Jahre alt und wird weltweit in Leitlinien bei Reizdarm empfohlen.
In Deutschland konnte das erprobte Konzept 2021 in der S3- Leitlinie Reizdarmsyndrom Fuß fassen mit folgenden Statements (3):
- Bei Schmerzen, Blähungen und Diarrhoe als dominantes Symptom sollte eine Low-FODMAP-Diät (in 3 Phasen: Elimination, Toleranzfindung, Langzeiternährung) empfohlen werden.
- Bei Obstipation als dominantes Symptom kann eine Low-FODMAP-Diät (in 3 Phasen: Elimination, Toleranzfindung, Langzeiternährung) empfohlen werden.
- EINE BEGLEITENDE MEDIZINISCHE ERNÄHRUNGSBERATUNG SOLLTE EMPFOHLEN WERDEN.
Risiko: FODMAP wird von Ärzt:innen empfohlen, aber spezialisierte Ernährungsfachkräfte sind Mangelware!
Nach wie vor werden viel zu wenig Reizdarmbetroffene von geschulten Ernährungsfachkräften betreut. Allerdings ist eine korrekte Umsetzung des FODMAP-Konzeptes in 3 Phasen unmöglich alleine umsetzbar. Studien zeigen außerdem, dass betroffene Menschen mit Reizdarm oder anderen Verdauungserkrankungen sich in ihrer Ernährung einschränken und häufiger auf Lebensmittel verzichten. Eine amerikanische Meta-Analyse aus dem Jahr 2021 zeigte, dass 90 % aller Betroffenen mit Reizdarmsyndrom Lebensmittel weglassen, um ihre Symptome zu lindern. In dieser Untersuchung waren Menschen mit gastrointestinalen Beschwerden um 44 % häufiger von gestörtem Essverhalten betroffen als Menschen ohne Verdauungsbeschwerden (15). Das Risiko für die Entwicklung einer Essstörung wie ARFID (avoidant restrictive food intake disorder) ist deutlich erhöht - insbesondere bei Menschen, die nicht von Ernährungsfachkräften betreut werden (4)(5).
Ärzt:innen, die eine FODMAP-Ernährungstherapie empfehlen, sollten Betroffene direkt an spezialisierte Ernährungsfachkräfte aus ihrem Netzwerk verweisen. Nur so kann verhindert werden, das Betroffene im Web eine FODMAP-Liste suchen, sich anschließend viel zu lange unbetreut in der Karenzphase befinden und in einen bedenklichen Ernährungszustand hinsteuern.
Wie viele Reizdarmbetroffene profitieren vom FODMAP-Konzept?
Studien belegen, dass etwa ¾ der Reizdarmbetroffenen positiv auf diese Ernährungstherapie ansprechen. Zahlreiche aktuelle Meta-Analysen und Systemische Reviews bestätigen die Wirksamkeit der FODMAP-Ernährungstherapie. Allein zwischen Jänner und 15. November 2024 wurden fünf Studien zu diesem Thema publiziert (6)(7)(8)(9)(10). Das bedeutet allerdings auch, dass ¼ nicht vom FODMAP-Konzept profitiert. Die sogenannten FODMAP Non-Responder sprechen dafür auf andere Therapiemethoden wie darmbezogene Hypnose, Bewegung oder medikamentöse Therapien an, die ebenfalls in der S3-Leitlinie angeführt werden (3).
Wer profitiert außerdem vom FODMAP-Konzept?
Therapeutisches Potential a la FODMAP besteht bei allen Zuständen oder Erkrankungen, bei denen die Verdauung in irgendeiner Form beeinträchtigt oder herausgefordert ist. So kann eine akute Entzündung die Leistung eines Verdauungsorgans einschränken, indem weniger Enzyme produziert werden. Durch geringere Verdauungsaktivitäten nimmt die Resorptionsleistung ab, was zu einer erhöhten FODMAP-Belastung im Dickdarm mit entsprechender Symptomatik führt. Bereits die erste Untersuchung zu FODMAP von Gibson und Shepherd bezog sich auf Morbus Crohn (1).
2024 wurde in einem systemischen Review gezeigt, das Zöliakiebetroffene mit persistierender Reizdarmsymptomatik trotz Einhalten einer glutenfreien Diät zusätzlich vom FODMAP-Konzept profitieren (11).
Wissenschaftlich bewiesen ist, dass bei vorliegender Endometriose das Risiko für Reizdarm etwa dreifach so hoch ist (12). Es gibt zahlreiche Gemeinsamkeiten und wesentliche Schlüsselsymptome bei Endometriose und Reizdarmsyndrom. Noch ist unklar, warum Endometriose und Reizdarmsyndrom vermehrt gemeinsam auftreten können. So konnte Moore 2017 in einer Studie eine deutliche Verbesserung durch eine FODMAP-Ernährungstherapie bei Endometriosebetroffenen mit RDS-Symptomatik zeigen (13).
Künftig wird es wohl noch weitere Indikationen für eine FODMAP-Ernährungstherapie geben, wie ein kürzlich verfasstes Paper die bisherige Datenlage zusammenfasste (14).
Abschließend beschäftigen sich jüngste Publikationen mit der Bedeutung der FODMAP-Zufuhr bei Sportler:innen mit trainingsinduzierten gastrointestinalen Beschwerden. Ein systemisches Review aus 2023 konnte darstellen, dass eine Reduktion der FODMAP-Last vor und während des Trainings zu einer Abnahme der belastungsinduzierten Verdauungsbeschwerden führte (16).
Aussagen zu Ernährung im Detail aus der S3-Leitlinie 2021 (3):
Es lohnt sich, darin einmal genüsslich zu schmökern. Das Wichtigste ist aber nach gründlicher (Ausschluss-)diagnostik in der Arztsprechstunde die therapeutischen Menü-Optionen den Patient*innen anzubieten und gemeinsam eine Wahl ganz nach dem Geschmack der Betroffenen zu treffen:
Therapie-Menüoptionen a la Leitlinie:
- Ernährung
- Psychologie
- Bewegung
- Medikamente
- Präparate
Erfahrungsgemäß sollten die Maßnahmen NACHEINANDER erfolgen, um die jeweiligen Effekte objektiviert beurteilen zu können. Ernährungsrelevante Aussagen aus der Leitlinie finden Sie hier aufgelistet:
Diagnostik Ernährung
Empfehlung 3 – 12
Bei anamnestischen Hinweisen auf eine Nahrungsmittelunverträglichkeit sollte zur Identifizierung der Symptomauslöser ein Ernährungssymptom-Tagebuch geführt und im Anschluss eine zunächst zeitlich befristete gezielte probatorische Eliminationsdiät der identifizierten Symptomtrigger versucht werden. [Empfehlungsgrad B, starker Konsens]
Empfehlung 3 – 13
Bei eindeutigen Hinweisen auf symptomatische Kohlenhydratmalabsorptionen oder IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergien sollten diese mit geeigneten Methoden abgeklärt werden. [Empfehlungsgrad B, starker Konsens]
Empfehlung 3 – 14
Eine Diagnostik auf nahrungsspezifisches IgG sollte nicht erfolgen.
[Empfehlungsgrad B, Konsens]
Empfehlung 3 – 15A
Bei anamnestischer Auslösung oder Verschlimmerung der Beschwerden durch Getreideprodukte sollen zunächst eine Zöliakie und eine Weizenallergie ausgeschlossen werden. [Empfehlungsgrad A, Konsens]
Empfehlung 3 – 15B
Bei reproduzierbarer Auslösung oder Verschlimmerung der Beschwerden durch Getreideprodukte kann nach Ausschluss einer Zöliakie und einer Weizenallergie eine zeitlich befristete weizen-/glutenfreie Diät erfolgen mit anschließender gezielter Re-Exposition (anzustreben als placebokontrollierter Provokationstest) zur Prüfung einer zugrunde liegenden Nicht-Zöliakie-nicht-Weizenallergie-Weizen-/Gluten-Sensitivität (NCGS/NCWS)1.
[Empfehlungsgrad 0, Konsens]
Empfehlung 3 – 16
Bei anamnestischer Auslösung oder Verschlimmerung der Beschwerden durch histaminhaltige Nahrungsmittel kann eine zeitlich befristete histaminarme Diät mit anschließender gezielter Re-Exposition zur Prüfung einer zugrunde liegende Histaminunverträglichkeit versucht werden.
[Empfehlungsgrad 0, Konsens]
Kapitel 5: Ernährung in der Therapie des Reizdarmsyndroms Empfehlung 5 – 1
Es können keine einheitlichen Ernährungsempfehlungen für alle Patienten mit einem Reizdarmsyndrom gegeben werden. Es gibt aber zahlreiche individuelle Ernährungsempfehlungen, die ich an den jeweiligen Symptomen orientieren.
[Empfehlungsgrad 0, starker Konsens]
Empfehlung 5 – 2
Längerfristige Eliminationsdiäten sollten nur bei gesichertem Nachweis individueller Nahrungsmittelunverträglichkeiten (vgl. Empfehlungen 3-12 bis 3-16) und unter ernährungsmedizinischer/ ernährungstherapeutischer Beratung und Kontrolle versucht werden2.
[Empfehlungsgrad B, starker Konsens]
Empfehlung 5 – 3
Weitreichende Karenzempfehlungen ohne einen Nachweis klinischer Wirksamkeit sollten vermieden werden.
[Empfehlungsgrad B, starker Konsens]
Empfehlung 5 – 4
Mangelernährung soll vermieden bzw. behandelt werden.
[Empfehlungsgrad A, starker Konsens]
Empfehlung 5 – 5
Es können keine ernährungsbezogenen Empfehlungen zur Prävention des Reizdarmsyndroms gegeben werden.
[Empfehlungsgrad 0, starker Konsens]
Empfehlung 5 – 6
Bei Erwachsenen mit Reizdarmsyndrom und überwiegend obstipativen Beschwerden sollten Ballaststoffe zur Behandlung eingesetzt werden. Dabei sollten lösliche Ballaststoffe bevorzugt verwendet werden.
[Empfehlungsgrad B, starker Konsens]
Empfehlung 5 – 7
Auch bei Patienten mit Reizdarmsyndrom vom Diarrhoe-Typ kann eine Therapie mit löslichen Ballaststoffen eingesetzt werden.
[Empfehlungsgrad 0, starker Konsens]
Empfehlung 5 – 8
Zu Nahrungsergänzungsmitteln* bei der Behandlung de Reizdarmsyndroms kann keine Empfehlung ausgesprochen werden.
[Empfehlungsgrad 0, starker Konsens]
*Wichtiger Hinweis: Dieses Statement bezieht sich ausdrücklich nicht auf Probiotika.
Probiotika werden in dieser Leitlinie aus systematischen Gründen nicht als Nahrungsergänzungsmittel abgehandelt und sind daher von diesem Statement ausgenommen; sie werden im Kapitel „Mikrobiom“ bewertet.
Empfehlung 5 – 9 A
Bei Schmerzen, Blähungen und Diarrhoe als dominantes Symptom sollte eine Low-FODMAP-Diät (in 3 Phasen: Elimination, Toleranzfindung, Langzeiternährung) empfohlen werden3.
[Empfehlungsgrad B, starker Konsens]
Empfehlung 5 – 9 B
Bei Obstipation als dominantes Symptom kann eine Low-FODMAP-Diät (in 3 Phasen: Elimination, Toleranzfindung, Langzeiternährung) empfohlen werden3.
[Empfehlungsgrad 0, starker Konsens]
Empfehlung 5 – 9 C
Eine begleitende medizinische Ernährungsberatung sollte empfohlen werden3.
[Empfehlungsgrad B, starker Konsens]
Quellen
- Gibson, P.R. and S.J. Shepherd, Personal view: food for thought--western lifestyle and susceptibility to Crohn's disease. The FODMAP hypothesis. Aliment Pharmacol Ther, 2005. 21(12): p. 1399-409. Link: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/15948806/
- Halmos EP, Power VA, Shepherd SJ, Gibson PR, Muir JG. A diet low in FODMAPs reduces symptoms of irritable bowel syndrome. Gastroenterology. 2014 Jan;146(1):67-75.e5. doi: 10.1053/j.gastro.2013.09.046. Epub 2013 Sep 25. PMID: 24076059. Link: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/24076059/
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