Oft übersehen: chronische Lebererkrankungen bei Zöliakie

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Zöliakie ist eine weit verbreitete, immunvermittelte Erkrankung, die durch eine Glutenunverträglichkeit bei genetisch veranlagten Personen ausgelöst wird. Sie geht mit einer breiten klinischen Variabilität und zahlreichen Komorbiditäten einher – insbesondere solchen autoimmuner Natur. Eine der bislang weniger untersuchten, aber klinisch zunehmend relevanten Begleiterscheinungen stellen Lebererkrankungen wie Autoimmunhepatitis und (alkoholbedingte) Fettleber dar.

Immer häufiger zeigen Zöliakie-Patienten abnorme Leberwerte oder entwickeln chronische Lebererkrankungen (CLD). Die genauen Zusammenhänge blieben bislang jedoch unklar. In einer groß angelegten, landesweiten Kohortenstudie in Schweden untersuchten Yao et al. (2024) den Zusammenhang zwischen Zöliakie und dem Auftreten chronischer Lebererkrankungen.

 

Methodik

In der landesweiten schwedischen Registerstudie wurden 48.027 Personen mit Zöliakie zwischen 1969 und 2017 identifiziert und mit 231.909 Kontrollpersonen aus der Allgemeinbevölkerung verglichen. Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 16 Jahre. Es wurden adjustierte Hazard Ratios (aHRs) für alle und spezifische CLD erfasst, darunter Virushepatitis, metabolisch-assoziierte Fettlebererkrankung (MASLD), alkoholbedingte Lebererkrankung, autoimmune Lebererkrankung sowie MALO (dazu gehören kompensierte/dekompensierte Zirrhose, hepatozelluläres Karzinom, Lebertransplantation und leberbedingter Tod.)

Ergebnisse

Die Ergebnisse zeigen ein deutlich erhöhtes Risiko für Zöliakie-Patienten, chronische Lebererkrankungen zu entwickeln: In der Nachbeobachtungszeit betrug die Inzidenzrate für jede Art von CLD bei Zöliakie-Patienten 79,4 gegenüber 39,5 pro 100.000 Personenjahre in der Kontrollgruppe. Das adjustierte Risiko für das Auftreten einer beliebigen CLD lag bei 2,01. Bemerkenswert dabei war, dass das relative Risiko unmittelbar nach der Zöliakie-Diagnose am höchsten war, jedoch über mehr als zwei Dekaden bestehen blieb. Die Risikosteigerung war besonders ausgeprägt für:

  • autoimmune Lebererkrankungen: aHR 4,86
  • MASLD (metabolisch-assoziierte Fettlebererkrankung): aHR 2,54
  • alkoholassoziierte Lebererkrankungen: aHR 1,51
  • MALO (komplexe leberbezogene Komplikationen): aHR 1,54

Fazit

Diese Studie liefert einen umfassenden Nachweis für den langfristigen Zusammenhang zwischen Zöliakie und verschiedenen chronischen Lebererkrankungen. Dabei ist nicht nur das erhöhte Risiko von Lebererkrankungen bei Zöliakie-Betroffenen bemerkenswert, sondern auch die Vielfalt der Lebererkrankungen – von autoimmunen Formen bis hin zu metabolisch oder alkoholbedingt ausgelösten Schäden.

Die Ergebnisse unterstreichen die Verbindung zwischen Zöliakie und hepatischer Beteiligung. Während transaminasenerhöhende „Zöliakiehepatitis“ in der Regel gut auf eine glutenfreie Diät anspricht, sollte bei persistierender Leberwerterhöhung differenzialdiagnostisch an eine chronische Lebererkrankung gedacht werden. Insbesondere autoimmune Hepatitiden, primäre biliäre Cholangitis (PBC) sowie primär sklerosierende Cholangitis (PSC) sind im Kontext der Zöliakie klinisch relevant und teilen vermutlich genetische und immunologische Pathomechanismen.

Darüber hinaus deuten die Daten auf eine potenzielle Rolle der glutenfreien Diät in der Pathogenese metabolisch-assoziierter Lebererkrankungen hin. Eine unausgewogene Nährstoffzufuhr – insbesondere hoher Fett- und Zuckergehalt sowie Gewichtszunahme nach Diäteinführung – kann zur Entstehung eines metabolischen Syndroms beitragen. Alkoholassoziierte Lebererkrankungen erscheinen nicht primär durch Zöliakie getriggert, jedoch könnte die erhöhte psychische Morbidität bei Zöliakie (Depression, Angststörungen, soziale Isolation) indirekt als Risikofaktor über ein erhöhtes Alkoholmissbrauchsverhalten wirken.

Für die Praxis ergeben sich daraus folgende Empfehlungen:

  • Früherkennung: Persistierende Hypertransaminasämien bei Zöliakie-Patienten sollten stets Anlass zur differenzierten Abklärung geben – ebenso wie ungeklärte Leberwerterhöhungen Anlass zur Zöliakie-Diagnostik sein können.
  • Interdisziplinäre Betreuung: Eine enge Zusammenarbeit zwischen Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährungstherapie ist essenziell, um Risikopatienten adäquat zu identifizieren und zu betreuen.
  • Ernährungsberatung: Eine strukturierte, evidenzbasierte Ernährungstherapie ist essenziell, um metabolische Fehlentwicklungen im Rahmen einer glutenfreien Diät zu verhindern.
  • Psychoedukation: Die Berücksichtigung psychischer Belastungsfaktoren und Lebensqualitätsaspekte sollte fester Bestandteil der Betreuung sein, um indirekte Risikofaktoren wie Alkoholmissbrauch zu adressieren.

Zukünftige Studien sollten sich auf die Mechanismen dieser Verbindung konzentrieren und prüfen, wie durch gezielte Prävention chronische Leberschäden bei Zöliakie-Patienten vermieden werden können. Besonders vielversprechend sind Ansätze, die Mikrobiom, Darm-Leber-Achse und immunologische Schnittstellen genauer beleuchten.

 

*Aufgrund der Lesbarkeit wird hier das generische Maskulinum verwendet. Die verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich – sofern nicht anders kenntlich gemacht – auf alle Geschlechter.

 

  • Quellen

    Lenti MV, Bianchi PI, Di Sabatino A. Coeliac disease and chronic liver disease: a double-face issue. Lancet Reg Health Eur. 2025 Jan 24;50:101216. doi: 10.1016/j.lanepe.2025.101216. PMID: 39925796; PMCID: PMC11804579.