Bei der Behandlung der Zöliakie kann ein Ansatz, bei dem mehrere wissenschaftliche Disziplinen Hand in Hand arbeiten, zu einer dauerhaften Verbesserung der Lebensqualität der Patienten führen.
Der Diätassistent Nick Trott vom Royal Hallamshire Hospital in Sheffield unterstrich in einem Beitrag die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen erfahrenen Gastroenterologen und Diät-Assistenten für die Behandlung der Zöliakie und anderer durch Gluten hervorgerufener Beschwerden.
Er hat nachgewiesen, dass im Vereinigten Königreich – bei einem Anstieg an Neudiagnosen um 42 Prozent über die letzten vier Jahre – nur 57 Prozent der Patienten in einer auf Zöliakie spezialisierten Klinik behandelt wurden. Es wurde deutlich, dass eine ausreichende Aufklärung der Patienten, die auf die selbstständige Gestaltung der glutenfreien Ernährung abzielt, die Chance erhöht, dass die Behandlung fortgeführt wird, insbesondere hinsichtlich solcher Mahlzeiten, die außerhalb der eigenen vier Wände eingenommen werden. Diese eigenverantwortliche Nahrungsmittelauswahl gelingt, wenn Patienten angemessen informiert und eingebunden, Gewohnheiten umgestellt und auch technische Mittel zur Hilfe genommen werden.
Ernährungsberatung dringend nötig!
Laut einer in Neuseeland und Australien durchgeführten aktuellen Studie erhalten 37 Prozent der dortigen Erkrankten keine Ernährungsberatung, was dazu führt, dass das Wissen um glutenfreie Lebensmittel sehr begrenzt ist. Selbst Patienten, die ihr eigenes Wissen als gering einschätzten, konnten zwar glutenhaltige Lebensmitteln korrekt identifizieren, waren aber andererseits nicht in der Lage, glutenfreie Lebensmittel zu erkennen(). Daraus folgt in sehr vielen Fällen ein extrem restriktiver Ansatz, der sich auf die langfristige Einhaltung der Diät auswirkt, weil sie als nur sehr schwer dauerhaft umzusetzen empfunden wird.
Um dieses Problem zu beheben, empfiehlt es sich, die glutenfreie Ernährung nicht als ein kurzfristiges Ereignis, sondern als eine Art Lehrgang für den Patienten aufzufassen, der eine gewisse Mitwirkung des Patienten erfordert. Sheffield hat die Erfahrung gemacht, dass Gruppentreffen von Patienten genauso wirksam sind wie Einzelsitzungen.
Die fachlichen Aspekte der medizinischen Ernährungsberatung für Zöliakie-Patienten betreffen
- die Überwachung der Einhaltung der glutenfreien Diät
- die Behandlung etwaiger Komorbiditäten wie beispielsweise Diabetes, Übergewicht und Reizdarm-Syndrom
- die Identifizierung und Behandlung von Patienten, die schon auf kleinste Spuren von Gluten hypersensibel reagieren.
Was tun bei nicht-Ansprechen auf die glutenfreie Ernährung?
Wenn Reizdarm-Symptome oder andere körperliche Einschränkungen auch nach Beginn der Diät fortbestehen, muss ein anderer Ansatz gewählt werden, über den in Abhängigkeit davon entschieden wird, ob die Darmschleimhaut Läsionen aufweist oder nicht. Extrem sensitive Patienten müssen eine noch striktere Diät einhalten, bei der auch Weizenstärke, Gerstenmalz, nicht-kontaminierter Hafer und – in speziellen Fällen – jegliche Getreidesorten außer Reis gestrichen werden. Für Patienten, die zwar Symptome aufweisen, deren Darmschleimhaut aber normal erscheint, sollte hingegen eine FODMAP-arme Diät erwogen werden.
Dysfunktionale Ernährungsmuster erkennen
Ein weiterer Aspekt ist die verringerte Lebensqualität von Zöliakie-Patienten, vor allem wenn sie besonders vorsichtig agieren, wie das Celiac Disease Center der Columbia University in New York (USA) nachgewiesen hat. Ein Patient, der gleich zu Beginn nicht angemessen betreut wird, läuft Gefahr, dysfunktionale Ernährungsmuster zu entwickeln. Die Risiken liegen dabei vor allem:
- in der übermäßigen Zufuhr von Fetten und der daraus folgenden Gewichtszunahme
- in einem Mangel an Vitaminen und Mikronährstoffen
- der Reduktion der Vielfalt der konsumierten Lebensmitteln sowie dem übermäßigen Verzehr verarbeiteter Lebensmittel, die frischen Waren wie Obst und Gemüse vorgezogen werden
Laut Anne Lee, Diät-Assistentin am genannten Center, ist der stärkste Einfluss einer Diät vor allem an psychosozialen Aspekten und in letzter Konsequenz an der Lebensqualität abzulesen, vor allem bei Frauen. Insbesondere bei Gerichten, die außer Haus verzehrt werden, geben viele Patienten an, negative Emotionen bezüglich der von der Diät auferlegten Beschränkungen, der Verlegenheit, anderen Menschen den eigenen Zustand erklären zu müssen und der Angst vor Kontamination zu erleben. Viele Patienten tendieren auch dazu, Reisen und auswärtige Mahlzeiten zu meiden, um diesem Unbehagen vorzubeugen. Bei der Verringerung des sozialen Unwohlseins ist die persönliche Unterstützung des Patienten vor Ort der Information im Internet überlegen, denn eine Online-Beratung steigert nachweislich das Angstgefühl, das bezüglich der Diät empfunden wird.
Welche Rolle spielt die Ernährungsberatung?
Die Rolle des Diätassistenten geht weit über einfache Beratungsgespräche hinaus. Es zielt darauf ab, Umgebungsbedingungen während der Nahrungsaufnahme, das eigene Bewusstsein, familiäre Strukturen, wirtschaftliche Beschränkungen und den psycho-sozialen Einfluss der Ernährung zu begreifen. Die soziale Unterstützung kann dabei nicht nur vom Diät-Assistenten, sondern zusätzlich auch von anderen Fachleuten wie Sozialarbeitern, Psychologen und Stress-Therapeuten geleistet werden.
Quellenangabe
- Halmos EP et al., Food knowledge and psychological state predict adherence to a gluten-free diet in a survey of 5310 Australians and New Zealanders with coeliac disease. Aliment Pharmacol Ther. 2018 Jul;48:78-86
- Lee AR et al., Living with coeliac disease: survey results from the U.S.A. J Hum Nutr Diet. 2012 Jun;25(3):233-8
- Wolf RL, Lebwohl B et al., Hypervigilance to a Gluten-Free Diet and Decreased Quality of Life in Teenagers and Adults with Celiac Disease. Dig Dis Sci. 2018 Jun;63(6):1438-1448