Orale Manifestationen bei pädiatrischen Patienten mit Zöliakie

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Personen mit Zöliakie stellen sich häufig mit einer Vielzahl gastrointestinaler oder extraintestinaler Symptome vor. Orale Läsionen und Gebissschäden werden bei Patientinnen und Patienten mit Zöliakie häufiger beobachtet als in der Allgemeinbevölkerung und können daher als zusätzliches Instrument der Diagnosestellung herangezogen werden, insbesondere bei atypischen oder subklinischen (silenten) Verlaufsformen der Zöliakie.

 

Die aktuellen Leitlinien des britischen National Institute for Health and Care Excellence (NICE) für die Diagnose und Behandlung der Zöliakie sehen vor, dass Patientinnen und Patienten, die sich mit schwergradigen oder persistierenden Aphten vorstellen, eine serologische Untersuchung zum Ausschluss einer Zöliakie durchführen sollten. Darüber hinaus hat die North American Society for Pediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition (NASPGHAN) das Vorliegen spezifischer Zahnschmelzdefekte als Risikofaktor für eine Zöliakie in ihre Leitlinie aufgenommen.
 

Die vorliegende Arbeit bietet eine Literaturübersicht über Fachartikel zu diesen und verwandten Themen, die von 2000 bis April 2017 veröffentlicht wurden. Nach einer Volltextanalyse wurden 43 Artikel für die Aufnahme in diese Übersicht ausgewählt, in die außerdem die Erfahrungen der Autorinnen und des Autors eingeflossen sind. In vielen Arbeiten wird eine hohe Prävalenz oraler Manifestationen bei Patientinnen und Patienten mit Zöliakie beschrieben, unter anderem von:

  • rezidivierende Stomatitis aphthosa (RSA)
  • verzögertem Zahndurchbruch
  • Landkartenzunge (Entzündungen der Zungenoberseite und -seiten)
  • Cheilitis angularis (Entzündungen, Hautschäden und Verkrustungen in den Mundwinkeln)
  • atrophischer Glossitis (Zungenentzündung)
  • brennendem Gefühl auf der Zunge
  • Mundtrockenheit

Die größten Anteile der veröffentlichten Literatur entfallen dabei auf die Prävalenz von RSA und Zahnschmelzdefekten.

 

RSA (rezidivierende Stomatitis aphthosa)

Bei der RSA handelt es sich um eine der häufigsten oralen Pathologien, die 10 bis 20 % der Allgemeinbevölkerung betrifft und häufiger bei Kindern mit Mangelernährung, Immundefekten, Malabsorption und Zöliakie auftritt. Die in diese Übersicht aufgenommenen Arbeiten beschreiben für die RSA eine Prävalenz zwischen 23 und 33 % bei Kindern mit Zöliakie sowie eine im Durchschnitt dreimal höhere Prävalenz bei Kindern mit Zöliakie als in entsprechenden Kontrollgruppen. Eine der Studien deutet darauf hin, dass die RSA häufiger bei Patientinnen und Patienten mit Zöliakie auftritt, die vor ihrer Diagnose keine gastrointestinalen Symptome angegeben hatten.

 

Zahnschmelzdefekte

Zahnschmelzdefekte können bei vielen systemischen Erkrankungen auftreten und sind in erster Linie gekennzeichnet durch das Auftreten von Löchern und Rillen im Zahnschmelz, sowie in manchen Fällen auch durch das vollständige Fehlen des Zahnschmelzes. Bei Patientinnen und Patienten mit Zöliakie scheinen auftretende Defekte hoch spezifisch zu sein sowie symmetrisch und chronologisch in allen Abschnitten des Gebisses aufzutreten. Die Ätiologie der Zahnschmelzdefekte bei Zöliakie ist nicht vollends aufgeklärt, die Defekte werden jedoch am ehesten niedrigen Serumspiegeln von Kalzium und Vitamin D zugeschrieben (bedingt durch eine Malabsorption). Als weitere Mechanismen kommen unter anderem eine Autoimmunreaktion gegenüber Ameloblasten (Zellen, die während der Zahnbildung für die Ablagerung von Zahnschmelz verantwortlich sind) infrage oder auch ein genetischer Zusammenhang, der dazu führt, dass bestimmte Personen mit Zöliakie auch ein höheres Risiko für das Auftreten von Zahnschmelzdefekten haben. Die hier zusammengefassten Artikel sprechen dafür, dass Zahnschmelzdefekte ein wichtiges Anzeichen für das Vorliegen einer Zöliakie sein könnten, da sie bei Kindern mit Zöliakie 3 bis 5 mal häufiger auftreten, als bei Kontrollpersonen. Manche Studien legen nahe, dass die vorderen Zähne häufiger betroffen sind und dass der Zahnschmelz von Personen mit Zöliakie im Allgemeinen spröder ist als bei Gesunden.

Ein besseres Verständnis der oralen Manifestationen der Zöliakie kann die Diagnosestellung in Fällen atypischer oder subklinischer (silenter) Formen der Erkrankung möglicherweise erleichtern. Besteht bei einem Kind der Verdacht auf Zöliakie, sollte im Rahmen einer Anamneseerhebung bei der Ernährungsberatung auch nach der Mundgesundheit und nach Zahnanomalien gefragt werden. Außerdem sollte Patienten empfohlen werden, sich regelmäßigen zahnärztlichen Kontrollen zu unterziehen, um entsprechenden Komplikationen vorzubeugen oder diese behandeln zu lassen. 
 

Viviana Marisa Pereira Macho et al. Open Dentistry Journal 2017; 11: 539-545

 

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