Diät-Therapie

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Keto

Basierend auf Beobachtungen, dass sich Hungern bei vielen Epilepsiepatienten günstig auf die Anfallssituation auswirkt, wurde die ketogene Diät (KD) bereits vor 90 Jahren in der Epilepsiebehandlung eingesetzt.

Definition der ketogenen Diät (KD): 

Unter KD versteht man eine isokalorische (unveränderte Zufuhr von Nährinhalten), fettreiche und kohlenhydratarme (direkte Zucker) Ernährungsweise. Der Wirkmechanismus der KD bei Epilepsie ist bis heute nicht vollständig verstanden. Es kommt jedoch unter der Einführung der Diät zu einer verstärkten Bildung von Ketonkörpern im Blut. Das Gehirn stellt dabei seinen Verbrauch von hauptsächlichen Kohlenhydraten auf die Verwendung von Ketonkörpern um. Man vermutet, dass Ketonkörper selbst eine antiepileptische Wirkung haben, es aber auch zu einem Umbau der Nervenzell-Netzwerk-Funktion kommt, die epileptische Aktivität unterdrückt. 

Therapieerfolg: 

Etwa ein Drittel der behandelten Epilepsiepatienten wird unter einer KD anfallsfrei, etwa ein weiteres Drittel zeigt eine deutliche Reduktion der Anfälle um mindestens 50%. V.a. bei Kindern und Jugendlichen mit bestimmten Syndromen kann die Effizienz der Therapie höher liegen, d.h. eine Anfallsfreiheit bei ca. 50% der Patienten erreicht werden z.B. bei tuberöser Sklerose, myoklonisch-astatischer Epilepsie, West-Syndrom und vielen genetisch bedingten Epilepsien (Stenger et al., 2017; Wiemer-Kruel et al., 2017).

Die nachgewiesenermaßen beste Wirksamkeit der KD besteht im Alter zwischen zwei und fünf Jahren. Der Erfolg der Therapie im Sinne einer Anfallsreduktion kann nach etwa vier bis acht Wochen beurteilt werden. Am besten scheinen myoklonische und atonische Anfälle, weniger gut generalisiert tonisch-klonische und fokale Anfälle und Absencen anzusprechen. Die Diät soll normalerweise zwei Jahre lang durchgeführt werden, bei einem Teil der Patienten hält der erzielte Effekt über die Beendigung hinaus an. Langzeitschäden der KD sind nicht beschrieben.

Sollte sich der Erfolg nicht eingestellt haben, wird die Diät nach einer Übergangsphase von wenigen Tagen wieder beendet (siehe unten). Vor Diätbeginn müssen insbesondere im Kindesalter verschiedene Stoffwechselerkrankungen ausgeschlossen werden (z.B. Fettsäureoxidations-Störungen, Ketolyse-, Ketoneogenese- und Glukoneogenesedefekte, sowie Hyperinsulinismus und Pyruvatcarboxylasemangel). Bei besonderen Stoffwechselerkrankungen wie z.B. dem Glucose-Transporter-Defekt Syndrom (Glut1) ist die KD eine spezifische Therapie, die den defekten Metabolismus gezielt um geht.

Formen der KD: 

Grundsätzlich unterscheidet man vier Formen der KD, die in der Tabelle dargestellt sind (modifiziert nach (Wiemer-Kruel, Z Epileptol 2013;26:160-166). Im frühen Kindesalter wird zumeist die klassische KD eingesetzt, da diese effizient ist und durch die Eltern stringent überwacht werden kann. Im Erwachsenenalter wird zumeist die modifizierte Diät eingesetzt, da hier die Compliance höher ist, aber genauso effizient zur Behandlung der Epilepsie eingesetzt werden kann.

Fettanteil, F (%) Proteinanteil, P in % Kohlenhydratanteil, KH in % Ketogenes Verhältnis (F:KH+P)
Reguläre Ernährung 35 15 50 0.3:1
Klassische KD 90 6 4 4:1
Modifizierte KD 64 30 6 1.5-2:1
MCT-Diät 73 10 17 1.2-1.6:1
LGI-Diät 60 30 10 1:1
KD: ketogene Diät, MCT: mittelkettige Triglyzeride, LGI: low glykämic index

Durchführung: 

Die Durchführung der KD erfordert eine ausgeprägte Disziplin mit genauer Berechnung der Speisepläne und exaktem Abwiegen der Lebensmittel. Zudem ist eine enge Zusammenarbeit der ärztlichen und diätetischen Betreuung erforderlich. Darüber hinaus ist die Mitarbeit der Angehörigen des Patienten für einen Erfolg der KD unabdingbar. Die KD sollte stationär eingeleitet werden. Der Energiebedarf wird je nach Alter und Energieumsatz auf 30-80 kcal pro kg Körpergewicht pro Tag, der Proteinbedarf auf 0,7 - 2,0 g pro kg Körpergewicht pro Tag (je nach Alter) berechnet und dann die sogenannte „ketogene Ratio“ festgelegt, die abhängig ist von den verschiedenen Formen der ketogenen Diät. 

MCT-Fette (mittelkettige Triglyzeride) werden häufig im Rahmen der ketogenen Diät eingesetzt. Sie wirken stärker ketogen als LCT-Fette (langkettige Triglyzeride) in vergleichbarer Menge. Daher kann durch den Einsatz von MCT-Fetten in der KD das Nährstoffverhältnis zugunsten der Kohlenhydrate und des Eiweißes verschoben werden, wodurch die Kost etwas abwechslungsreicher und schmackhafter gestaltet werden kann.  Die Zufuhr von MCT-Fetten sollte langsam gesteigert werden, da sonst Nebenwirkungen wie abdominelle Beschwerden, Erbrechen und Kopfschmerzen auftreten können. Die tolerierbare Tagesmenge an MCT-Fetten ist individuell verschieden und sollte über den Tag verteilt aufgenommen werden. Auf eine ausreichende Versorgung mit essentiellen Mikronährstoff en (B-Vitamine, Vitamin C, Calcium, Eisen und Zink) ist zu achten und gegebenenfalls muss gezielt supplementiert werden. Eine KD darf nie abrupt abgebrochen werden, da eine zu rasche Kohlenhydratzufuhr Krampfanfälle auslösen kann, d.h. bei einer beabsichtigten Beendigung ist ein kontrolliertes, langsames Absenken des Fett-Kohlenhydrat-Eiweiß- Verhältnisses angezeigt! Die Effizienz der Therapie sollte über die Kontrolle der Ketone im Blut erfolgen.

Nebenwirkungen: 

Als häufige Nebenwirkungen in der Anfangsphase der KD werden Verstopfung, Müdigkeit, Erbrechen und Übelkeit beschrieben, die jedoch in der Regel nach einigen Wochen verschwinden. In den ersten zwei Wochen beklagen viele eine chronische Müdigkeit, welche meist in eine gesteigerte Wachheit übergeht. Bei etwa 5% der Betroffenen kommt es zum Auftreten einer Oxalatnephrolithiasis (> Kontrolle der Oxalatausscheidung im 24-Stunden-Urin). Selten bis eher selten finden sich Thrombozytenfunktionsstörungen mit Blutungsneigung, Hypocalcämie und Herzrhythmusstörungen (demaskiertes Long-QTSyndrom). Insgesamt ist das Nebenwirkungsprofil allerdings günstiger als bei einer intensiven pharmakologischen Therapie. Die ketogene Diät wird in der Regel parallel zu einer antiepileptischen Medikation eingeführt. Hier sind Interaktionen zwischen ketogener Diät und antiepileptischer Medikation zu beachten.

AWMF-Leitlinien:

Die AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) erstellt Leitlinien zu medizinischen Themen im Auftrag und Zusammenarbeit der verschiedenen Fachgesellschaften. In der letzten Stellungnahme der AWMF findet sich eine Leitlinie zum Thema ketogene Diät, die die Grundlagen der Therapie, die Indikationen, Kontraindikationen, Voraussetzungen und Durchführung, Nebenwirkungen und weiterführende Informationen enthält.

Quellenverzeichnis

  1. Fisher, R. S. et al. (2018) ‘Operational classification of seizure types by the International League Against Epilepsy: position paper of the ILAE Commission for Classification and Terminology’, Zeitschrift fur Epileptologie, 31(4), pp. 272–281. doi: 10.1007/s10309-018-0216-8.
  2. Scheffer, I. E. et al. (2018) ‘ILAE classification of the epilepsies: position paper of the ILAE Commission for Classification and Terminology’, Zeitschrift fur Epileptologie, 31(4), pp. 296–306. doi: 10.1007/s10309-018-0218-6.
  3. Stenger, E. et al. (2017) ‘Efficacy of a ketogenic diet in resistant myoclono-astatic epilepsy: A French multicenter retrospective study’, Epilepsy Research, 131, pp. 64–69. doi: 10.1016/j.eplepsyres.2017.02.005.
  4. Wiemer-Kruel, A. et al. (2017) ‘Modified Atkins diet is an effective treatment for children with Doose syndrome’, Epilepsia, 58(4), pp. 657–662. doi: 10.1111/epi.13701.
  5. Wong, S., Mani, R. and Danish, S. (2019) ‘Comparison and Selection of Current Implantable Anti-Epileptic Devices’, Neurotherapeutics, 16(2), pp. 369–380. doi: 10.1007/s13311-019-00727-2.