Wissensupdate zu Zöliakie und glutenbedingten Erkrankungen (2020): Neue Leitlinien (ESsCD & ESPGHAN)

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  3. Wissensupdate zu Zöliakie und glutenbedingten Erkrankungen (2020): Neue Leitlinien (ESsCD & ESPGHAN)

Die Prävalenz von Zöliakie hat sich in den letzten 50 Jahren deutlich erhöht. Doch immer noch bleiben viele Fälle unentdeckt. Lernen Sie mit dem umfassenden Leitfaden der European Society for the Study of Coeliac Disease (ESsCD) und  European Society for Paediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition (ESPGHAN), wie Sie die Diagnose und Therapie von Zöliakie und anderen glutenbedingten Erkrankungen verbessern können.

Die Fachgesellschaft macht deutlich, dass vor der Diagnose eine glutenhaltige Ernährung einzuhalten ist. Zudem wird auf die glutenfreie Ernährung als Therapie eingegangen und wie Patienten motiviert werden können, diese zu befolgen. In den Leitlinien geht es neben der Zöliakie um Erkrankungen wie Dermatitis herpetiformis Duhring, Non-Coelic Gluten-Sensitivity (NCGS) und Krankheitsbilder mit neurologischem Zusammenhang, wie die Ataxie. 

Serologisches Screening: Für welche Personen wird es empfohlen?

Die Untersuchung der Wahl für ein Screening ist weiterhin der Test zur Ermittlung des Antikörperwerts IgA-TG2. Neben Menschen mit familiärer Vorbelastung oder Autoimmunerkrankungen, mit dem Down-, Turner- oder Williams-Syndrom oder einem IgA-Mangel im Serum kann das serologische Screening auch in einer Reihe anderer Fälle hilfreich sein, beispielsweise bei:

  • Reizdarmsyndrom
  • erhöhten TransaminaseWerte der Leber ohne erkennbare Ursache
  • chronischen MagenDarm-Beschwerden
  • mikroskopischen Kolitiden
  • Morbus Basedow oder HashimotoThyreoiditis
  • Osteopenie/Osteoporose
  • Ataxien ohne erkennbare Ursache oder peripherer Neuropathie
  • wiederkehrenden Aphthen oder Defekte des Zahnschmelzes
  • Unfruchtbarkeit, habituellen Aborte, später Menarche, vorzeitiger Menopause
  • dem chronischen Ermüdungssyndrom
  • akuter oder chronischer Pankreatitis ohne erkennbare Ursache
  • Epilepsie, Kopfschmerzen, affektiven Störungen, AufmerksamkeitsdefizitStörungen/Verschlechterungen des Erinnerungsvermögens
  • Hyposplenie oder Asplenie
  • Psoriasis
  • Lungenhämosiderose
  • ImmunglobulinA-Nephropathie

Insbesondere Patienten, die von Diabetes Typ 1 betroffen sind, sollten sich demnach regelmäßig einem Screening unterziehen.

HLA-DQ2-/HLA-DQ8-Test: ja, aber nur in bestimmten Fällen

Die HLA-Typisierung sollte nicht bei der Erstdiagnostik der Zöliakie eingesetzt werden, kann aber verwendet werden, um eine Zöliakie bei Menschen auszuschließen, die ihre Ernährung bereits auf glutenfreie Kost umstellten, bevor sie sich untersuchen ließen. Außerdem ist sie in Fällen geeignet, in denen eine Diskrepanz zwischen den Ergebnissen der serologischen und histologischen Tests besteht (beispielsweise Schleimhautläsionen vom Typ 1 oder Typ 2 nach Marsh bei Patienten mit negativer Serologie).

Biopsie: Hier ist sie notwendig

Bei Erwachsenen ist eine Biopsie des Zwölffingerdarms das Mittel der Wahl. Sie wird in Fällen mit einer positiven Serologie und auch solchen vorgenommen, in denen das Duodenum bei der endoskopischen Untersuchung normal erscheint. Zudem müssen mindestens vier Proben genommen werden, von denen zwei aus der Ampulla duodeni stammen, um eine sichere Diagnose zu gewährleisten.

Endoskopie und Biopsie sind auch bei einer negativen Serologie empfehlenswert bei:

  • chronischer Diarrhoe (ohne Blutbeimengung)
  • Diarrhoe mit unzureichender Nährstoffaufnahme und insbesondere Gewichtsverlust
  • Eisenmangelanämie ohne erkennbare Ursache
  • gastrointestinalen Symptomen bei familiärem ZöliakieHintergrund
  • gastrointestinalen Symptomen bei Menschen mit AutoImmun-Erkrankungen oder IgA-Mangel
  • Kindern mit Wachstumsstörungen
  • Dermatitis herpetiformis
  • Zottenatrophie
  • Ileo oder Kolostoma im Zusammenhang mit nicht-erklärbarem erhöhten Output

Bei Erwachsenen, die sich seit ein bis zwei Jahren glutenfrei ernähren, kann es hilfreich sein, die Biopsie zu wiederholen, um das Abheilen der Schleimhaut zu bestätigen. Dies gilt besonders für Menschen über 40 und Patienten, die vorher unter sehr schweren Krankheitssymptomen litten.

Eine erneute Biopsie ist auch erforderlich, wenn die glutenfreie Ernährung keine Besserung gebracht hat.

Biopsie: Neues aus der Pädiatrie

Das ESsCD-Papier empfiehlt ein serologisches Screening von Kindern und Jugendlichen, wenn sie unter chronischem oder wiederkehrendem Durchfall, Wachstumsverzögerungen, Gewichtsverlust, verspäteter Pubertät, Amenorrhoe, Eisenmangelanämie, wiederkehrender Übelkeit oder Erbrechen, chronischen Bauchschmerzen oder Verstopfungen, chronischer Müdigkeit, rezidivierenden Aphthen, Dermatitis herpetiformis mit Hautausschlägen, veränderten Leberwerte oder aber Knochenbrüchen ohne Trauma, Osteopenie oder Osteoporose leiden.

Bezüglich der Diagnose hingegen bestätigt das Dokument der ESPGHAN die Möglichkeit, eine Zöliakie bei Minderjährigen auch ohne eine Biopsie zu diagnostizieren. Dies gilt allerdings nur in den folgenden Fällen:

- TGA-IgA-Werte, die mindestens zehnfach über dem normalen Höchstwert liegen
- positiver Test auf Anti-Endomysium-IgA-Antikörper in einer zweiten serologischen Probe

Der HLA-Test und das Vorliegen von Symptomen sind nicht länger Pflichtkriterien für die Durchführung eines diagnostischen Verfahrens ohne Biopsie.

Beurteilung im Diagnoseprozess und bei Folgeuntersuchungen

Während der Diagnosestellung gehören zur medizinischen Untersuchung eine klinische und die Bewertung der Ernährung sowie begleitende Tests wie ein Blutbild, die Bestimmung von Eisen, Folaten, Vitamin B12, Schilddrüsenfunktions- und Leberwerten, Kalzium, Phosphaten und Vitamin D sowie eine Knochendichtemessung.

Für die Gesundheit der Knochen sind die Werte für Kalzium, alkalische Phosphatase und Vitamin D sowie die Knochendichte (DXA) entscheidend, die bis zu einem Lebensalter von 30 bis 35 Jahren durchgeführt werden sollte. Ergibt die Messung der Knochendichte normale Werte, sollte sie nach fünf Jahren wiederholt werden; bei Auffälligkeiten alle zwei bis drei Jahre.

In Sachen ihrer Ernährung benötigen die Patienten eine Erstberatung. Diesbezüglich wird empfohlen, sich an Ernährungsberater zu wenden. Wird die Diät nicht ausreichend eingehalten, kann dies zu einem Nährstoffmangel und im schlimmsten Fall zu Lymphomen oder Fehlgeburten führen.

„Die gängigsten Probleme bei einer unausgewogenen glutenfreien Ernährung sind ein Missverhältnis der zugeführten Makronährstoffen (insbesondere die übermäßige Aufnahme von Einfachzuckern, Fetten und Proteinen sowie eine zu geringe Ballaststoffzufuhr) und der Mangel an einigen Mikronährstoffen wie Eisen, Folaten, den Vitaminen B6, B12 und D sowie Zink und Kupfer“, erläutert Dottoressa Elena Dogliotti, Biologin und Ernährungswissenschaftlerin und Mitglied des Wissenschaftlichen Komitees des Dr. Schär Institute.

Zur Förderung einer guten Lebensqualität ist es demnach außerdem wichtig, die Patienten zu ermutigen, sich einer Selbsthilfegruppe oder einem Patientenverband anzuschließen, und im ersten Jahr nach der Diagnose eine psychologische Betreuung anzubieten.

Vorgeschlagenes Schema für die Planung von Folgeuntersuchungen

Zur Diagnosestellung Körperliche Untersuchung, Ermittlung , Beratung und Schulung über die Zöliakie, Ernährungsberatung, Screening für Familienangehörige empfohlen (DQ2, DQ8 und Serologie), Empfehlung Zöliakie-Patientenverband, Routine-Untersuchtungen (Blutbild, Eisen, Folate, Vitamin B12, Schulddrüsenfunktionswerte, Leberenzyme, Kalzium, Phosphate, Vitamin D
Nach 3 bis 4 Monaten Beurteilung der Symptome und des Verlaufs Beurteilung der Ernährung Serologie (IgA-TG2)
Nach 6 Monaten Beurteilung der Symptome Beurteilung der Ernährung Serologie Wiederholung der Routine-Untersuchungen (falls es zuvor auffällige Werte gab)
Nach 1 Jahr Beurteilung der Symptome Klinische Beurteilung Beurteilung der Ernährung Serologie Wiederholung der Routine-Untersuchungen
Nach 2 Jahren Beurteilung der Symptome Beurteilung der Ernährung (bei Bedarf) Serologie Untersuchung der Schilddrüsenfunktion Sonstige Untersuchungen anhand der klinischen Beurteilung
Nach 3 Jahren Knochendichtemessung (falls vorherige Werte auffällig waren) Beurteilung der Symptome Beurteilung der Ernährung Serologie Untersuchung der Schilddrüsenfunktion Sonstige Untersuchungen anhand der klinischen Beurteilung

Quellenangabe

Al-Toma, A., Volta, U., Auricchio, R., Castillejo, G., Sanders, D. S., Cellier, C., … Lundin, K. E. A. (2019). European Society for the Study of Coeliac Disease (ESsCD) guideline for coeliac disease and other gluten-related disorders. United European Gastroenterology Journal7(5), 583–613. https://doi.org/10.1177/2050640619844125