Justine Bold, Senior Lecturer, University of Worcester, Großbritannien
Die ernährungsphysiologische Qualität von glutenfreien Lebensmitteln wurde in jüngerer Zeit in den Medien breit diskutiert.
Man zeigte sich besorgt darüber, dass glutenfreie Lebensmittel häufig reich an Salz, Zucker und Fetten sind, und dass in einigen Studien ein Zusammenhang zwischen einer glutenfreien Ernährung und gesundheitlichen Problemen, wie dem metabolischen Syndrom, hergestellt wurde (1). Darüber hinaus wurde über eine Mangelversorgung von Zöliakiepatienten mit Proteinen, Ballaststoffen und Mikronährstoffen (2) berichtet, wobei Resorptionsprobleme eine mögliche Erklärung für diese Defizite sein können. Während eine glutenfreie Diät für Menschen, die weder unter einer Zöliakie noch unter glutenbedingten Symptomen leiden, nicht empfohlen wird, ist der Verzicht auf Gluten noch immer die sicherste Therapieoption für Patienten mit Zöliakie (3), insbesondere wenn der Ernährungsplan glutenfreie Vollwertkost und Vollkornprodukte enthält, welche die ausreichende Versorgung mit Mikronährstoffen und Ballaststoffen sicherstellen.
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Medienberichte über die ernährungsphysiologische Qualität von glutenfreien Lebensmitteln haben wichtige Fragen angesprochen, sich bisher jedoch selten mit sicherheitsbezogenen Fragen befasst, zum Beispiel mit der Frage, welche Auswirkungen eine Glutenverunreinigung auf Patienten mit glutenbedingten Symptomen und insbesondere auf Zöliakiepatienten mit persistierenden Symptomen haben kann.
In der Europäischen Union (EU) wurde bereits 2005 die Allergenkennzeichnungspflicht für verpackte Lebensmittel eingeführt (3), die vorschreibt, dass Allergene, wie Gluten, Weizen, Roggen, Gerste und Hafer, in der Zutatenliste genannt werden. 2009 legte die EU-Gesetzgebung fest, dass nur Lebensmittel mit ≤ 20 ppm Gluten (20 mg/kg) als „glutenfrei“ deklariert werden dürfen. Studien konnten zeigen, dass bereits eine Aufnahme von 50 mg Gluten pro Tag genügt, um histologische Veränderungen in der Dünndarmmukosa von Zöliakiebetroffenen auszulösen (4). Verunreinigungen unterhalb des Grenzwerts von 20 ppm gelten allgemein als sicher und Studien konnten zeigen, dass eine Verunreinigung von 10 mg Gluten pro Tag bei den meisten Zöliakiepatienten nicht zu einem abnormalen histologischen Befund führt (5).
Eine jüngst in der Fachzeitschrift Nutrients veröffentlichte Studie befasste sich ausführlich mit den Sicherheitsaspekten von glutenfreien Lebensmitteln und den Risiken, die mit einer Glutenverunreinigung einhergehen (6). Die in Spanien durchgeführte Studie analysierte über 18 Jahre (von 1998 bis 2016) mehr als 3.000 glutenfreie Lebensmittel. Die Studie ist eines der umfassendsten Forschungsprojekte zu glutenfreien Lebensmitteln und liefert einige wichtige Erkenntnisse für die Arbeit mit Zöliakiepatienten (5).
Die Daten zeigen, dass sich die Sicherheit von getreidebasierten Lebensmitteln für Menschen mit Zöliakie über den untersuchten Zeitraum insgesamt verbessert hat und dass Verunreinigungen zurückgegangen sind. (6) Allerdings wurde zwischen 2013 und 2016 eine erhöhte Rate von glutenfreien Weißmehlproben mit einer Glutenverunreinigung von 100 mg/kg verzeichnet. (6) Vor dem Hintergrund, dass eine Überschreitung des von der EU für glutenfreie Lebensmittel vorgeschriebenen Grenzwerts von 20 ppm für Zöliakiepatienten problematisch sein kann, und angesichts der Tatsache, dass glutenfreies Weißmehl breite Anwendung beim Kochen und Backen im privaten Umfeld findet, ist dieses Ergebnis äußerst besorgniserregend.
Zudem waren mehr als drei Viertel der im Rahmen der Studie untersuchten Haferproben mit Gluten verunreinigt (6). Zöliakiepatienten sollten von ihrem behandelnden Arzt oder Ernährungsberater daher verstärkt darauf hingewiesen werden, wie wichtig es ist, beim Kauf von Hafer- und haferbasierten Produkten auf das offizielle Glutenfrei-Symbol zu achten. Die Autoren der Studie führten auch die Analysenergebnisse für zahlreiche von Natur aus glutenfreie Lebensmittel, wie Buchweizen und Quinoa, auf (6). Hier ist allerdings anzumerken, dass sowohl in Buchweizen- als auch in Linsenproben Verunreinigungen nachgewiesen wurden (6). Bei der Ernährungsberatung von Zöliakiebetroffenen sollte dieser Aspekt berücksichtigt werden. Dennoch sollte das primäre Ziel der Ernährungsberatung sein, Patienten unter glutenfreier Diät zu einer ausgewogenen Ernährung mit gesunden Fetten und einer reduzierten Zufuhr von Zucker und gesättigten Fettsäuren zu ermuntern.
Die Studie berichtet zudem über eine höhere Glutenverunreinigung von kostengünstigeren, als glutenfrei deklarierten Lebensmitteln (6) und legt damit nahe, dass eine strengere Kontrolle der Produktionsprozesse direkte Auswirkungen auf die Kosten hat. Alle in die Behandlung von Zöliakiepatienten involvierten Fachkräfte sollten sich bewusst sein, dass dieses Problem wahrscheinlich verstärkt Menschen der unteren Einkommensklassen betrifft, die aus wirtschaftlichen Gründen kostengünstigere glutenfreie Produkte wählen und so ein erhöhtes Risiko für eine Glutenexposition eingehen (3). Die fortschreitende Regulierung und Prüfung von zertifizierten glutenfreien Lebensmitteln ist neben der kontinuierlichen Kontrolle auf Verunreinigungen unverzichtbar, um die Sicherheit von Zöliakiebetroffenen zu gewährleisten.
Quellen
1 Tortora R, Capone P, De Stefano G, Imperatore N, Gerbino N, Donetto S, Monaco V, Capooraso N, Rispo A. Metabolic syndrome in patients with coeliac diseaseon a gluten-free diet. Aliment. Pharmacol. Ther. 2015; 41:352–359.
2 Saturni L, Ferretti G, Bacchetti T. The gluten-free diet: Safety and nutritional quality. Nutrients 2010; 2:16–34.
3 Rostami K, Bold J, Parr A, Johnson MW Gluten-Free Diet Indications, Safety, Quality, Labels, and Challenges. Nutrients. 2017 Aug 8;9(8).
4 Catassi C, Fabiani E, Lacona G et al. A prospective, double blind, placebo-controlled trial to establish a safe gluten threshold for patients with coeliac disease. Am J Clin Nutr 2007; 85:160–166.
5 Akobeng AK, Thomas AG. Systematic review: tolerable amount of gluten for people with coeliac disease. Aliment Pharmacol Ther 2008; 27:1044–1052.
6 Bustamante MA, Fernandez-Gil MP, Churruca I, Miranda J, Lasa A, Navarro V, Simon E. Evolution of gluten content in cereal-based gluten-free products: An overview from 1998 to 2016. Nutrients. 2017;9:21.