Menschen mit Zöliakie haben häufig bereits einen langen Leidensweg hinter sich, wenn die Autoimmunerkrankung bei ihnen diagnostiziert wird. Die Verzögerungen bei der Diagnose verhindern eine zeitnahe Behandlung der Beschwerden und erzeugen nicht selten Stress. Eine aktuelle Umfrage unter Zöliakiebetroffenen und ihren Angehörigen hat untersucht, welche Erfahrungen die Patientinnen und Patienten auf ihrem Weg bis zur Diagnose gemacht haben und gibt Aufschluss, wie ihre Situation verbessert werden könnte.
An der im August 2022 durchgeführten Online-Befragung von Dr. Schär nahmen 1.682 Menschen teil. Ihre Antworten zeigen, dass der Weg bis zur Diagnose eher einem Marathon als einem Sprint gleicht: Beinahe 8 Jahre dauerte es im Durchschnitt, bis die Erkrankung bei den Befragten erkannt wurde. In dieser Zeit hat fast die Hälfte von ihnen (45 %) drei oder mehr Ärzte aufgrund ihrer Beschwerden konsultiert. Die erste Anlaufstelle ist dabei für viele die Hausarztpraxis – zwei Drittel wandten sich als erstes dorthin. Hausärzten kommt somit eine wichtige Rolle bei der Diagnosefindung zu.
Zöliakie nur selten gleich erkannt
Als häufigste Symptome wurden von den Befragten bei der Erstkonsultation anhaltende Bauchkrämpfe bzw. -schmerzen und Blähungen angegeben. Die Betroffenen litten jedoch unter einer großen Bandbreite von Beschwerden – insgesamt wurden über 200 unterschiedliche Symptome in der Umfrage genannt. Darunter waren auch viele extraintestinale Beschwerden wie beispielsweise Müdigkeit, Kopfschmerzen, plötzlicher Gewichtsverlust und Hautausschläge. Die große Bandbreite relativ unspezifischer Beschwerden erschweren den behandelnden Ärzten offenbar die Diagnose. So wurde nur bei 18 % der Befragten die Zöliakie gleich am Anfang erkannt. In der Mehrzahl der Fälle diagnostizierten die Behandler zunächst andere Erkrankungen, am häufigsten Reizdarmsyndrom, Lebensmittelunverträglichkeiten und intestinale Infektionen.
Diese Ergebnisse stimmen überein mit einer in 2021 durchgeführten Umfrage unter 300 Hausärztinnen und Hausärzten. Bei der Konfrontation mit klassischen Zöliakie-Symptomen nannten diese am häufigsten gastrointestinale Infektionen, funktionelle Darmerkrankungen, Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn als mögliche Ursachen.2 Eine Zöliakie wurde nur von 29 % spontan als Auslöser in Betracht gezogen.2 Offenbar ist die Zöliakie als mögliche Ursache vieler gastrointestinaler, aber auch extraintestinaler Beschwerden noch nicht ausreichend im Bewusstsein verankert. Die Anfang 2022 aktualisierte Leitlinie Zöliakie empfiehlt als Faustregel, bei allen länger als 4 Wochen anhaltenden gastrointestinalen und extraintestinalen, nicht anderweitig erklärbaren Beschwerden eine Zöliakie in Betracht zu ziehen und eine Laboruntersuchung auf Zöliakie-Autoantikörper anzuordnen.3
Viel Unsicherheit bei der glutenfreien Ernährung
Den Patienten könnte damit unnötig langes Leiden unter den Beschwerden sowie nachgelagerte gesundheitliche Folgen durch einen verzögerten Therapiebeginn erspart bleiben. Knapp die Hälfte von ihnen (47 %) gab an, dass die Verzögerungen und vielen Tests bei ihnen Stress ausgelöst hatten. Die Umfrage zeigt außerdem, dass auch nach feststehender Diagnose die Bewältigung der Erkrankung für viele Befragte nicht einfach war. Zwar erhielten fast alle die Empfehlung, sich lebenslang strikt glutenfrei zu ernähren, um beschwerdefrei zu werden und zu bleiben. Viele hatten auch Informationsmaterial zur glutenfreien Ernährung ausgehändigt bekommen. Dennoch blieben bei fast jedem Zweiten Fragen zur Ernährungsumstellung offen. Eine professionelle Ernährungsberatung kann in der ersten Phase der Umstellung unterstützend zur Seite stehen. 47 % der Umfrageteilnehmer hatten eine Überweisung an eine Fachkraft erhalten – somit bleibt auch hier noch Potenzial für eine Verbesserung der Versorgung.
Quellen
1 Online-Umfrage unter 1.682 Zöliakie-Betroffenen von Dr. Schär, 08/2022, Data on file
2 DocCheck Research: Zufallsbasierte Online-Befragung im DocCheck Panel, 04/2021, unter 300 niedergelassenen Allgemeinmediziner*innen, Praktische Ärzt*innen und Internist*innen ohne Schwerpunkt (APIs).
3 Aktualisierte S2k-Leitlinie Zöliakie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS), Dezember 2021
4 Wittkamp P. et al. Z Gastroenterol 2012. 50 – V36.
5 Altobelli E. et al. 2017. Low-FODMAP Diet Improves Irritable Bowel Syndrome Symptoms: A Meta-Analysis. Nutrients, 9 (9).