Die Gluten-/Weizensensitivität äußert sich mit unspezifischen Symptomen, die sowohl intestinal als auch extraintestinal auftreten und dem Krankheitsbild einer Zöliakie oder Weizenallergie ähneln. Die Diagnose erfolgt über das Ansprechen auf eine glutenfreie Ernährung, nachdem Zöliakie und Weizenallergie ausgeschlossen wurden.
Es gibt eine Gruppe von Patienten, die auf den Verzehr glutenhaltiger Speisen mit Symptomen wie Bauchschmerzen, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Hautausschlag oder geistiger Verwirrung („foggy mind“) reagieren. Eine Zöliakie oder auch eine Allergie gegen Weizen liegt bei ihnen jedoch nicht vor. Beim Verzicht auf Gluten bessern sich bei diesen Patienten die Symptome innerhalb von wenigen Wochen und treten bei erneuter Glutenexposition wieder auf. Ob tatsächlich das Gluten oder ein anderer Inhaltsstoff des Weizens für die Reaktionen verantwortlich ist, wird in der Wissenschaft aktuell diskutiert. Im Fokus stehen neben Gluten beispielsweise die sogenannten Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATIs) oder auch FODMAPs. Aus diesem Grund empfiehlt die S2k-Leitlinie zur Zöliakie, Weizenallergie und Weizensensitivität aus dem Jahr 2014 den Begriff Nicht-Zöliakie-Nicht-Weizenallergie-Weizensensitivität (kurz: Weizensensitivität). International spricht man hingegen weiterhin von einer Non Celiac Gluten Sensitivity (Glutensensitivität). Daher verwenden wir in diesem Zusammenhang beide Begrifflichkeiten, sprich Gluten-/Weizensensitivität (GS/WS).
Nomenklatur-Übersicht
Ursprünglich hatte sich der Begriff Gluten Sensitivity (Glutensensitivität, kurz: GS) etabliert, um das neue Erscheinungsbild zu benennen. Beim zweiten International Expert Meeting 2012 einigten sich die anwesenden Mediziner und Wissenschaftler auf die Nomenklatur Non Celiac Gluten Sensitivity (NCGS), um die Differenzierung zu Zöliakie aufzuzeigen. In der S2k-Leitlinie von 2014 wurde der Begriff Nicht-Zöliakie-Nicht-Weizenallergie-Weizensensitivität (kurz: Weizensensitivität) empfohlen. Wir benutzen in diesem Zusammenhang Gluten-/Weizensensitivität.
Unterschiede zu Zöliakie und Weizenallergie
Alle drei glutenbedingten Erkrankungen – Gluten-/Weizensensitivität, Zöliakie und Weizenallergie – ähneln sich in der Symptomatik und können daher leicht verwechselt werden. Doch es gibt Unterschiede, z. B. hinsichtlich der Reaktionszeiten und der Pathogenese. Zöliakie ist eine durch die Aufnahme von Gluten verursachte Autoimmun-Enteropathie. Weizenallergie ist eine IgE-vermittelte Reaktion auf Weizenbestandteile. Auch wenn Personen mit einer Gluten-/Weizensensitivität nach dem Verzehr gluten-/weizenhaltiger Speisen ähnliche Symptome wie Zöliakiepatienten entwickeln, ist das klinische Bild in der Regel weniger schwer und es sind weder Autoantikörper noch Anti-Gewebstransglutaminasen oder Autoimmun-Komborbiditäten festzustellen. Auch weisen Patienten mit Gluten-/Weizensensitivität im Gegensatz zu Zöliakiepatienten kaum histologische Veränderungen der Dünndarmschleimhaut auf oder nur Läsionen, die einem Grad 0 bis 1 der Marsh-Skala entsprechen.
Auf einen Blick: So unterscheiden sich Zöliakie, Gluten-/Weizensensitivität und Weizenallergie
Zöliakie | Gluten-/Weizensensitivität | Weizenallergie | |
Zeitraum zwischen Glutenexposition und Auftreten der Symptome | Wochen bis Jahre | Stunden bis Tage | Sofortreaktion: wenige Stunden Spätreaktion: einige Stunden bis zwei Tage |
Pathogenese | Autoimmun (angeborene + adaptive Immunität) |
Bislang unklare immunologische Reaktion | IgE-Bildung und IgE-vermittelte Mediatorfreisetzung |
HLA | HLA DQ2/8 (ca. 95% der Fälle) |
Unklar | - |
Autoantikörper | Positiv (hohe Sensitivität und Spezifität) |
Negativ (ausgenommen Anti-Gliadin-Antikörper IgA und/oder IgG) |
Positiv |
Enteropathie | typisch | fehlt; gelegentlich IEL leicht erhöht (Marsh 0-1) |
fehlt |
Symptome | Intestinal und extraintestinal | Intestinal und extraintestinal | Intestinal und extraintestinal |
Komplikationen | Begleiterkrankungen, langfristige Komplikationen | Keine Begleiterkrankungen, langfristige Komplikationen nicht bekannt | Keine Begleiterkrankungen |
Therapie | glutenfreie Ernährung muss auf Dauer erfolgen der Zöliakiebetroffene darf Zeit seines Lebens keine glutenhaltigen Nahrungsmittel zu sich nehmen, selbst solche nicht, in denen Gluten nur in Spuren vorhanden ist |
glutenfreie Ernährung kann zeitlich beschränkt werden Zeitrahmen von ein bis zwei Jahren sollte nicht unterschritten werden Toleranzschwelle ist bei Patienten mit NCGS unterschiedlich, d.h. die Zufuhr an Gluten muss individuell angepasst werden |
ein zeitweiliger Verzicht auf weizenhaltige Nahrungsmittel kann reichen Verabreichung von Cortisonen kann notwendig sein |